LG Hamburg vom 18. November 2016 – 310 0 402/16 – Das Landgericht Hamburg setzt als erstes deutsches Gericht die Rechtsprechung des EuGH um.
Das LG Hamburg setzt als erstes deutsches Gericht die Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 8. September 2016 – C -160/15, um und entscheidet in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, daß die Verlinkung grundsätzlich doch eine Urheberrechtsverletzung ist.
Sachverhalt:
Der Antragsteller, ein deutscher Fotograf, hat auf Wikimedia im Rahmen einer Creative-Commons-Lizenz ein Bild eingestellt in welchem er als Urheber bezeichnet ist. Dieses zeigt ursprünglich eine Gebäudefotografie, welche von einem unbenannten Dritten dergestalt verändert wurde, daß UFOs in dieses Bild einmontiert wurden. Dieser Umgestaltung habe der Antragsteller nicht zugestimmt, weshalb ihm als Urheber das ausschließliche Verwertungsrecht des § 19a UrhG an dem Foto zustehe, weil das Recht auch die Nutzung in umgestalteter Form nach § 23 S. 1 UrhG umfasse. Auf einer Website habe er dieses umgestaltete Bild gefunden und den Antragsgegner abgemahnt, weil dieser, der Antragsgegner, auf diese Website einen Link gesetzt und es unterlassen habe, sich darüber zu informieren, ob der Urheber der Umgestaltung zugestimmt habe. Denn die im Rahmen der Wikimedia gegenüber erteilte Creative-Commons-Lizenz umfasse nicht die Zustimmung zur Umgestaltung und Veröffentlichung des umgestalteten Werkes. Darüberhinaus habe es der Antragsgegner unterlassen, den Urheber als Bildgeber zu nennen.
Begründung:
Nach Ansicht des LG Hamburg liegt damit ein öffentliches Zugänglichmachen allein schon deshalb vor, weil die Verlinkung auf die Website mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt sei. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 8. September 2016 – C -160/15.
Denn bei Auslegung des dieser Entscheidung zugrundeliegenden Art. 3 Abs. 1 der lnfosocRichtlinie, so hat es der EuGH (NJW 2016, 3149 ff.) ausgeführt, erfüllt das Setzen eines Hyperlinks unter bestimmten Umständen den Tatbestand einer öffentlichen Wiedergabe eines Werkes, auf das verlinkt wird.
Die drei Voraussetzungen für eine Urheberrechtsverletzung durch das Setzen eines Links sind danach:
- „öffentliche Wiedergabe“
- in der „Öffentlichkeit“
- zu „Erwerbszwecken“.
In diesem Zusammenhang hat der EuGH festgestellt, daß ein Hyperlink nur dann als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 eingestuft werden kann, wenn das Werk nicht bereits auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglich gewesen ist.
Sofern das Werk also schon auf einer Website mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht wurde, liegt demnach keine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vor.
Fraglich war damit, ob die Veröffentlichung des umgestalteten Werkes im Wege einer Montage durch Dritte, hier der Einfügung von UFOs in die Gebäudefotografie, sich an ein neues Publikum gerichtet hat.
So lag es nach Ansicht des LG Hamburg hier.
Die Veröffentlichung des umgestalteten Fotos war nicht von der Zustimmung des Urhebers umfaßt. Sie ergab sich auch nicht aus der Wikimedia gegenüber erteilten Creative-Commons-Lizenz. Entscheidend war nach Ansicht des LG Hamburg also vorliegend, ob der Antragsteller seine Zustimmung zu einer anderweitigen Zugänglichmachung gerade auch der Umgestaltung (,,UFO-Fassung“) seines Lichtbildwerks gegeben hatte. Und dies war nach Ansicht des LG Hamburg eben nicht der Fall.
Zitat des LG Hamburg:
„…Diese Umgestaltung war keine freie Benutzung, denn die das Verfügungsmuster prägenden Züge verblassen in ihr nicht. Das Verfügungsmuster zeichnet sich durch eine individuell-schöpferische Darstellung des abgebildeten Gebäudes aus. Die in der professionell-dokumentarischen Architekturfotografie vielfach bewusst vermiedenen stürzenden Linien betonen im Verfügungsmuster den von unten nach oben gerichteten Blickwinkel und damit die Höhe und Größe des abgebildeten Gebäudes; sie verstärken optisch den schon in der Architektur selbst angelegten Eindruck einer Erhabenheit wie auch des Rückbezugs der Säulenarchitektur auf antike Vorbilder. Diese Gestaltungselemente treten in der Umgestaltung keineswegs in den Hintergrund, sondern werden bewusst ausgenutzt, indem die UFOs perspektivisch passend in Untersicht dargestellt werden und in ihrer geometrisch-futuristischen Schlichtheit in starken Kontrast zu der verzierten Säulenarchitektur treten. Damit war die Zugänglichmachung der Umgestaltung als Verwertung i.S.v. § 23 S. 1 UrhG von der Zustimmung des Antragstellers abhängig….“.
Im Ergebnis war die Verlinkung des Antragsgegners also eine Zugänglichmachung der Umgestaltung und damit ihrerseits eine eigene öffentliche Wiedergabe dieser Umgestaltung im Sinne der zitierten EuGH-Rechtsprechung, welche an ein neues Publikum gerichtet war.
Damit waren nach Ansicht des LG Hamburg die vom EuGH aufgestellten objektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe durch Verlinkung erfüllt.
Der Antragsgegner hat auch die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt.
Er hat nämlich nach Ansicht des LG Hamburg zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt.
Der EuGH nimmt grundsätzlich nur dann eine Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe an, wenn die Linksetzung schuldhaft in dem Sinne erfolgt, daß der Linksetzer um die Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung „wusste oder hätte wissen müssen“, wobei letzteres ersichtlich auch Fälle der Fahrlässigkeit erfassen soll, wobei ein strengerer Verschuldensmaßstab für denjenigen gilt, welcher mit Gewinnerzielungsabsicht handelt. Ihm wird zugemutet, sich durch Nachforschungen zu vergewissern, ob der verlinkte Inhalt rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, wobei die widerlegliche Vermutung einer Kenntnis der fehlenden Erlaubnis besteht.
Soll umgangssprachlich heißen: „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!“
Der EuGH benutzt jedoch das Kriterium der Gewinnerzielungsabzielungsabsicht nicht im Rahmen einer rein wirtschaftlichen Betrachtung, also bezogen auf Betriebe, welche werbend tätig sind, und nimmt damit Privatpersonen aus, sondern lediglich zur Abgrenzung, ob dem Linksetzer Nachforschungen über die Rechtesituation bezüglich der verlinkten Seite zumutbar sind. Danach hängt die Zumutbarkeit nicht allein davon ab, ob mit der Linksetzung unmittelbar Gewinne erzielt werden sollen, sondern nur davon, ob die Linksetzung im Rahmen eines Internetauftritts erfolgt, der insgesamt zumindest auch einer Gewinnerzielungsabsicht dient.
Auch dies war hier nach Ansicht des LG Hamburg der Fall, weil der Antragsgegner im Rahmen seines Internetauftritts im Eigenverlag vertriebenes Lehrmaterial entgeltlich angeboten hat.
Selbst wenn der Antragsgegner vorliegend nicht wußte, daß die verlinkte Zugänglichmachung rechtswidrig erfolgte, beruht dies auf seinem Verschulden, denn ihm ist diesbezüglich bedingter Vorsatz vorzuwerfen.
Kritik:
Das zugrundeliegende Urteil des EuGH führt nunmehr erstmals zu einer Entscheidung eines deutschen Gerichtes, wonach bei Auslegung der vorgenannten Entscheidung des EuGH faktisch jeder, welcher im Internet eine Website betreibt und einen Link auf eine fremde Seite setzt, Gefahr läuft, eine Urheberrechtsverletzung zu begehen und abgemahnt zu werden, weil ihm grundsätzlich, theoretisch zwar widerlegbar, faktisch aber wohl kaum möglich, unterstellt wird, mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt zu haben.
Vermeidbar wäre eine Urheberrechtsverletzung nur dann, wenn der Linksetzer sich vorher bei jedem Urheber selbst erkundigt, ob die Veröffentlichung oder Umgestaltung mit seiner Zustimmung erfolgt ist, bzw. welche Lizenzmodalitäten vorhanden sind. Die Auskunft des Seitenbetreiber als Dritten, welcher die Quelle bzw. das Werk veröffentlicht hat, ist nicht ausreichend.
Dies dürfte jedoch faktisch unmöglich sein, wenn das ursprüngliche Werk sogar noch umgestaltet worden ist.
Denn dann müßte ja auch die Quelle ermittelt werden.
Damit wird das gesamte Internet, zumindest in Deutschland, faktisch unmöglich gemacht, weil jeder, welcher eine Website betreibt, welche beispielsweise nicht nur eigene lustige Katzenfotos postet, potentiell Urheberrechtsverletzungen begehen kann, sofern er auch nur einen Textlink setzt.
Durch diese Entscheidung wird massiv in die Informations- und Kommunikationsfreiheit sowie die Pressefreiheit eingegriffen.
Des Weiteren dürfte auch die gesamte Internetwirtschaft, wie beispielsweise Medienhäuser, Blogger oder auch das Onlinemarketing und selbst freie Journalisten betroffen sein, vom gesamten Bereich der Social Media wie etwa Facebook, Twitter, Instagram, etc. einmal ganz abgesehen.
Es dürfte interessant sein, wie sich etwa Google dazu in Zukunft verhält, weil der Page-Rank-Algorithmus ja gerade auf der Verlinkung und deren Gewichtung im Verhältnis der Websites zueinander als Geschäftsgrundlage beruht. Denn faktisch jedem Link wohnt nunmehr die Gefahr der Urheberrechtsverletzung inne.
Gerade Google dürfte die Manpower besitzen, die Quellen zu sichten.
Und die Frage, wie sich die Überprüfungspflichten zukünftig gestalten sollen im Falle der Änderung der verlinkten Websites, ist bisher noch gar nicht beachtet worden.
Diese Entscheidung ist meiner Ansicht nach weder praxistauglich, noch verfassungsrechtlich haltbar.
Weil die Entscheidung mittlerweile abschließend ist, dürfte ein Dritter in Zukunft den Instanzenweg beschreiten und den Rechtsweg erschöpfen müssen.
Inzwischen wurde auf www.change.org die Petition „Rette den Link! EuGH-Entscheid zur Linkhaftung kippen!“ ins Leben gerufen.
Wer sie unterstützen möchte, kann das hier (https://www.change.org/p/rette-den-link-eugh-entscheid-zur-linkhaftung-kippen) tun.
So wird in Zukunft ein Link wohl aussehen, wenn diese Rechtsprechung nicht geändert wird.
Volltext der Entscheidung auf cdn.netzpolitik.org: → hier…