Wer als Dokumentarfilmer oder zeitgenössischer Film- oder Videokünstler arbeiten möchte, stößt heute sehr schnell an die Grenzen des Urheberrechtes sofern der Autor/Künstler die Vervielfältigung und anschließende Verbreitung bzw. öffentliche Wiedergabe von selbst kürzesten Sequenzen Filmsequenzen anstrebt.
Dennoch können Filmzitate, Found Footage, Kompilationsfilme, Video Essays, Supercuts und Mashups dennoch urheberrechtlich ohne Zustimmung der Rechtsinhabers zulässig sein.
Weiteres hierzu findet sich in einem sehr interessanten Aufsatz von Prof. Dr. iur. Alexander Peukert (Goethe-Universität Frankfurt am Main, Fachbereich Rechtswissenschaft und Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“) anläßlich eines Vortrages im Rahmen des Symposiums „Recycled Cinema“ während der DOKU.ARTS 2014 in Berlin.
Lesen Sie den Volltext dazu hier…
Grundsätzlich sind Filmwerke nach § 2 I Nr. 6 UrhG urheberrechtlich geschützt.
Sofern der Künstler dieses Werk nun bearbeiten oder umgestalten möchte, richtet sich die Zulässigkeit nach § 23 UrhG.
§ 23 UrhG regelt folgendes:
„Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen des Werkes dürfen nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden. Handelt es sich um eine Verfilmung des Werkes, um die Ausführung von Plänen und Entwürfen eines Werkes der bildenden Künste, um den Nachbau eines Werkes der Baukunst oder um die Bearbeitung oder Umgestaltung eines Datenbankwerkes, so bedarf bereits das Herstellen der Bearbeitung oder Umgestaltung der Einwilligung des Urhebers“.
Im Ergebnis steht damit fest, daß grundsätzlich alle Filmwerke, gleich ob privat oder kommerziell genutzt, nur dann vervielfältigt und öffentlich wiedergegeben werden dürfen, wenn die jeweiligen Rechteinhaber zuvor ihre Zustimmung erteilt haben. Im Falle von Filmwerken ist darüberhinaus schon die Bearbeitung oder Umgestaltung des Werkes und nicht erst deren Vervielfältigung und Veröffentlichung zustimmungspflichtig.
In der Praxis würde dies bedeuten, daß schon die Vervielfältigung in Form der Anfertigung einer Arbeitskopie auf dem heimischen Rechner und erst Recht der Beginn der Bearbeitung einen Verstoß gegen das Urheberrecht bedeuten würden, läge keine Zustimmung des Rechteinhabers vor.
Anders zu beurteilen wäre der Fall allerdings dann, wenn den Nutzer eine Schranke oder eine sonstige gesetzliche Begrenzung des Urheberrechtes zur Seite stünde, dieser, der Nutzer, sich also auf eine Ausnahme berufen könnte.
Im Urheberrecht selbst ergibt sich dies aus § 51 UrhG, hier dem sogenannten Zitatrecht.
Danach ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats zulässig, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn
1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Für den Fall der Verwendung bereits bestehenden Filmmaterials wie etwa Dokumentarfilmen, Kompilationsfilmen und Mashups komm insoweit diese Schranke für Filmzitate zur Anwendung. Allerdings unter der Voraussetzung, daß die „freie Benutzung“ gemäß § 24 I UrhG nach gegenwärtiger Rechtspraxis bisher nur spezifisch antithematische, insbesondere parodistische und satirische Zugriffe auf vorhandenes Filmmaterial deckt.
Des Weiteren findet § 24 Abs. 1 UrhG Anwendung, wonach bei der sogenannten freien Bearbeitung ein selbständiges Werk, welches in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden darf.
Nach § 24 Abs. 2 UrhG gilt dies jedoch nicht für die Benutzung eines Werkes der Musik, durch welche eine Melodie erkennbar dem Werk entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt wird. Angesicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) zu Metall-auf-Metall Urteil vom 31. Mai 2016 – 1 BvR 1585/13 dürfte diese Rechtsnorm allerdings zukünftig rechtlich anders bewertet werden.
Eine weitere Schranke des Urheberrechtes ergibt sich aus einer wenig bekannten Entscheidung des BVerfG zur Zulässigkeit künstlerischer Collagen und anderer Formen eigenständiger künstlerischer Gestaltungen im Rahmen der sogenannten Germania 3-Doktrin – Beschluß vom 29. Juni 2000 1 – BvR 825/98.
Dieser Entscheidung des BVerfG lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem es um eine Auseinandersetzung zwischen der Erbin von Heiner Müller und den
Erben von Bertolt Brecht über Müllers letztes Theaterstück „GERMANIA 3 Gespenster am toten Mann“ ging.
Das Theaterstück mit einem Gesamtumfang von 75 Seiten gab in der Szene „Massnahme 1956“, welche ihrerseits einen Umfang von ca. 18 Seiten hatte, Textpassagen aus Bühnenwerken Bertolt Brechts im Umfang von etwa vier Textseiten wider. Die Brecht-Erben sahen darin eine Urheberrechtsverletzung und klagten.
Das BVerfG hob die Entscheidungen der Vorinstanzen schließlich auf und argumentierte mit der Kunstfreiheit nach Artikel 5 Abs. 3 GG.
Danach sei grundlegend zu beachten, daß mit der Veröffentlichung ein Werk nicht mehr allein seinem Inhaber zur Verfügung stehe.
Vielmehr trete es bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und könne damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werden. Dem Interesse der Urheberrechtsinhaber vor Ausbeutung ihrer Werke ohne Genehmigung zu fremden kommerziellen Zwecken stehe das durch die Kunstfreiheit geschützte Interesse anderer Künstler gegenüber, ohne die Gefahr von Eingriffen finanzieller oder inhaltlicher Art in einen künstlerischen Dialog und Schaffensprozess zu vorhandenen Werken treten zu können. Stehe ein geringfügiger Eingriff in die Urheberrechte ohne die Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile beispielsweise durch Absatzrückgänge der künstlerischen Entfaltungsfreiheit gegenüber, so hätten die Verwertungsinteressen der Urheberrechtsinhaber im Vergleich zu den Nutzungsinteressen für eine künstlerische Auseinandersetzung zurückzutreten. Zu prüfen sei dahier insbesondere, ob die Übernahme fremder Werkteile bloß der Anreicherung eines Werkes durch fremdes geistiges Eigentum diene oder ob es sich um ein eigenständiges künstlerisches Stilmittel handele. Dabei sei die künstlerische Verarbeitung fremder Texte nicht auf eine kritische Erörterung der darin enthaltenen Aussage beschränkt, sondern könne sich in verschiedenen Formen vollziehen, die der Künstler nach seinen ästhetischen Vorstellungen auswähle. Maßgeblich sei also, ob sich der Fremdtext funktional als Gegenstand und Gestaltungsmittel in die künstlerische Gestaltung und Intention des übernehmenden Werkes einfüge und damit als integraler Bestandteil einer eigenständigen künstlerischen Aussage erscheine.
Erforderlich ist daher, daß das übernehmende Werk auch die der Kunst eigenen materiellen Strukturmerkmale aufweist, also insbesondere Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung ist, in der Eindrücke, Erfahrungen und Phantasien des Autors zum Ausdruck kommen, wobei als Elemente schöpferischer Gestaltung der Einsatz und die verfremdende Verknüpfung von verschiedenen Stilmitteln in Betracht kommen, die Interpretationen zulassen und so auf eine künstlerische Absicht schließen lassen. Das eigene Werk muß also seinerseits eine gewisse Schöpfungshöhe besitzen.
Auf den Filmbereich übertragen bedeutet dies also folgendes:
Bereits bestehende Bewegtbilder dürfen grundsätzlich als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung zustimmungs- und vergütungsfrei verwendet werden. Einschlägig aber ist die Germania 3-Doktrin für Kompilationsfilme, Video Essays usw., soweit die fremden Bewegtbilder Gegenstand und Gestaltungsmittel einer eigenständigen künstlerischen Aussage sind und Schöpfungshöhe besitzen, was allerdings schon dann der Fall sein dürfte, wenn nur eine Collage erstellt wird, welche allerdings nicht vom Kontext her erkennbar im Widerspruch zum bearbeiteten Werk stehen und dieses entstellen darf. Denn auch die Zusammenfügung einer Reihe sich wiederholender, stereotyper Situationen und charakteristischer Motive der visuellen Welt namhafter Filmemacher kann auf schöpferischer Gestaltung und künstlerischer Absicht beruhen und neue Interpretationen eröffnen.
Ob die Voraussetzungen der Germania 3-Doktrin gegeben sind, ist jeweils unter umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, wozu auch der Gesichtspunkt zählt, ob die Nutzung eine Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile, wie etwa Absatzrückgänge (s.o.) für das verwendete Original begründet, was aber bei der Übernahme kurzer Sequenzen bekannter Filme in einen künstlerischen Kompilations- oder Konzeptfilm in aller Regel aber nicht der Fall ist.
Anders verhält es sich nur bei Zusammenstellungen, die Auszüge des Filmwerkes als Schnipsel um ihrer selbst willen aneinanderreihen, wie etwa die Animationen, Explosionen oder Verfolgungsjagden des vergangenen Kinojahres. Fehlt es an einer integrierenden künstlerischen Konzeption, also an der Schöfungshöhe, und damit an der Eröffnung einer dem Künstler eigenen Interpretationsmöglichkeit seines Werkes, dient also die Übernahme fremder Werkteile nur der Anreicherung des eigenen digitalen Produkts, ist im Ergebins eine solche Aneignung eines bestehenden Filmwerkes ist nicht von der Germania 3-Doktrin gedeckt und damit letztlich rechtswidrig.
Zusammenfassend läßt sich damit folgendes feststellen:
1. Die unerlaubte Vervielfältigung und anschließende Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe auch kürzester Filmsequenzen stellt grundsätzlich einen Eingriff in Urheber- und Leistungsschutzrechte dar, wobei das Zitatrecht gemäß § 51 UrhG die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Filmsequenzen als Schranke dieses für den Fall erlaubt. Es findet insbesondere bei Dokumentar- und Lehrfilmen Anwendung, welche Veranschaulichung ihrer Aussage fremde Bewegtbilder in ihr Werk einbauen. Bei Ausübung des Zitatrechtes ist die Quelle des Zitats deutlich anzugeben.
Ausnahmsweise findet das Zitatrecht dann keine Anwendung wenn bloß eine Aneinanderreihung von Filmausschnitten um ihrer selbst willen vorliegt und keine Schöpfungshöhe oder sonstige Interpretationsmöglichkeit erkennen läßt.
Die freie Benutzung gemäß § 24 UrhG gestattet die Verwendung auch unveränderter Bildfolgen, soweit dies in erkennbar antithematischer, insbesondere parodistischer oder satirischer Absicht geschieht und nicht über dasjenige hinausgeht, was zur Erzielung der parodistischen/satirischen Aussage erforderlich ist. Es darf also das zugrundeliegende und bearbeitete Werk nicht entstellt werden.
Die Germania 3-Doktrin des Bundesverfassungsgerichts verschafft der künstlerischen Auseinandersetzung mit vorhandenem Filmmaterial weitergehende Freiräume. Nach dieser Rechtsprechung ist die eigenständige künstlerische Verarbeitung von Filmsequenzen etwa in Kompilations- und Konzeptfilmen zulässig, soweit hiermit keine Gefahren merklicher wirtschaftlicher Nachteile für die Verwertung der Originale einhergehen, wobei als Ausnahme von dieser Regel die künstlerische Verarbeitung von Filmmaterial von der bloß unterhaltenden oder sonst informierenden Aneinanderreihung von Ausschnitten abzugrenzen ist.
MashUps sind im Ergebnis als nach der Germania-3-Doktrin nach Ansicht des Autors grundsätzlich urheberrechtlich zulässig.
Dieser rechtlichen Bewertung schließe ich mich an.